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Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden am Bundesgericht

Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden am Bundesgericht

Urteil 4A_605/2021 vom 5. Mai 2022

Sachverhalt

Die Beschwerdegegnerin, eine in der Unternehmensberatung tätige Gesellschaft, verpflichtete sich gegenüber der Beschwerdeführerin zur Erarbeitung eines Unternehmenskonzepts, welches aus mehreren Schritten bestand. Die Parteien wurden sich nach Unterzeichnung der Auftragsbestätigung über die Auslegung eines Teils des Vertragsinhalts nicht einig, worauf die Beschwerdegegnerin beim Bezirksgericht Höfe Klage erhob. Das Gericht wies die Klage vollumfänglich ab. Daraufhin gelangte die Beschwerdegegnerin mittels Berufung an das Kantonsgericht Schwyz, welches die Berufung guthiess, das Urteil des Bezirksgerichts aufhob und die Sache im Sinne der Erwägungen an das Bezirksgericht zurückwies. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragte die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht die Aufhebung des vorinstanzlichen Zwischenentscheides und die Abweisung der Klage.

Vorbringen der Beschwerdeführerin

Die Beschwerdeführerin berief sich für die Zulässigkeit ihrer Beschwerde auf Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG. Danach ist eine Beschwerde gegen selbständig eröffnete Zwischenentscheide zulässig, wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.

Im Wesentlichen brachte die Beschwerdeführerin vor, ein Beweisverfahren würde angesichts der im Recht liegenden Beweismittel und -anträge sowohl für die Erstinstanz als auch für die Parteien einen überdurchschnittlich hohen, bedeutenden Aufwand hervorrufen. Dabei verwies sie pauschal auf die Beweismittelverzeichnisse bzw. die erstinstanzlichen Rechtsschriften der Parteien und zählte auf, welche Beweismittel von den Parteien offeriert wurden. Weiter brachte die Beschwerdeführerin vor, das Beweisverfahren dürfte nicht ohne die Einvernahme diverser Zeugen möglich sein.

Restriktive Zulässigkeit der Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden

Unbestritten war, dass es sich beim angefochtenen Rückweisungsentscheid des Kantonsgerichts um einen selbständig eröffneten Zwischenentscheid i.S.v. Art. 93 BGG handelte. Gemäss Bundesgericht sei deren Anfechtbarkeit restriktiv zu handhaben (E. 1.1.). Soweit deren Vorliegen nicht offensichtlich ins Auge springe, obliege es der beschwerdeführenden Partei, darzulegen, dass die Voraussetzungen von Art. 93 BGG erfüllt sind (BGE 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2; 137 III 324 E. 1.1). Dabei sei wie folgt zu differenzieren: Gehe bereits aus dem angefochtenen Urteil oder der Natur der Sache hervor, dass ein bedeutender Zeit- oder Kostenaufwand für ein weitläufiges Beweisverfahren erforderlich sein werde, dürfe auf lange Ausführungen verzichtet werden (E. 1.1). Andernfalls habe der Beschwerdeführer im Einzelnen darzutun, welche Tatfragen offen seien und welche weitläufigen Beweiserhebungen in welchem zeit- oder kostenmässigen Umfang erforderlich seien (ebd.). Er müsse zudem darlegen, dass er diese Beweise im kantonalen Verfahren bereits angerufen oder entsprechende Anträge gestellt habe (BGE 133 IV 288 E. 3.2; 118 II 91 E. 1a m.H.; Urteil 4A_288/2021 vom 13. Juli 2021 E 2.1 m.H.).

Aufzählungen und pauschale Verweise genügen nicht

Das Bundesgericht ging nicht ausführlich darauf ein, ob es vorliegend einen verfahrensabschliessenden Endentscheid fällen könnte. Es prüfte, ob mit einem Endentscheid überhaupt ein bedeutender Zeit- und Kostenaufwand für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden könnte.

Entgegen der Beschwerdeführerin war die erhebliche Kosten- und Aufwandersparnis eines Endentscheids für das Bundesgericht nicht offensichtlich gegeben (E. 1.2.2.). Welche weitläufigen Beweiserhebungen in welchem zeit- oder kostenmässigen Umfang erforderlich seien, hatte die Beschwerdeführerin nicht hinreichend ausgeführt (ebd.). Der pauschale Verweis auf die Beweismittelverzeichnisse bzw. die erstinstanzlichen Rechtsschriften der Parteien und die Aufzählung der offerierten Beweismittel genügten nicht.

So erwog auch die Vorinstanz, der Sachverhalt sei in wesentlichen Teilen zu vervollständigen und es sei allenfalls ein Beweisverfahren durchzuführen (E. 1.2.2.). Zudem war fraglich, wie viele der genannten Zeugen überhaupt hätten befragt werden müssen. Bei den Vorbringen der Beschwerdeführerin handle es sich um blosse Mutmassungen. Damit seien die Anforderungen an die Darlegung eines weitläufigen Beweisverfahrens nicht erfüllt.

Anforderungen an Dauer und Kosten eines weitläufigen Beweisverfahrens

Das Beweisverfahren müsse bezüglich Dauer und Kosten erheblich von einem üblichen Prozess abweichen, damit die gesetzliche Voraussetzung erfüllt sei (E 1.2.2). Entgegen dem deutschen und italienischen Wortlaut müsse es lang und kostspielig sein (E. 1.1. m.H.). Eine sofortige Beschwerde sei nicht gerechtfertigt, wenn sich die Beweisaufnahme darauf beschränken soll, die Parteien anzuhören, ihnen die Vorlage von Urkunden zu ermöglichen und einige Zeugen zu vernehmen. Die Beurteilung fiele allenfalls anders aus, wenn ein komplexes Gutachten, mehrere Gutachten, die Vernehmung sehr vieler Zeugen oder Rechtshilfeersuchen im entfernteren Ausland in Betracht gezogen werden müssten (E. 1.2.2. m.w.H.).

Kommentar

Das Bundesgericht bestätigt mit diesem Entscheid seine bisherige Praxis, wonach die beschwerdeführende Partei das Vorliegen einer erheblichen Kosten- und Aufwandersparnis substantiiert im Einzelnen darzulegen hat (vgl. Urteil BGer 4A_109/2007 vom 30. Juli 2007 E. 2.4). Die theoretische und abstrakte Möglichkeit, dass die Parteien im weiteren Verfahren vor Gericht neue Beweisanträge stellen können, genügt dabei nicht (vgl. BGE 118 II 91 E. 1a; 116 II 738 E.1; vgl. Uhlmann, BSK-BGG, N 22 zu Art. 93 BGG m.w.H.).

Dem Entscheid des Bundesgerichts ist einmal mehr sehr deutlich zu entnehmen, dass die Anfechtung selbständig eröffneter Zwischenentscheide sehr restriktiv gehandhabt wird. Für den Rechtssuchenden dürfte aber nach wie vor unklar bleiben, welches Mass an Kostspieligkeit bzw. Kostenersparnis für die erfolgreiche Anfechtung eines Zwischenentscheids nach Art. 93 BGG tatsächlich ausreichend ist. Aus Gründen der anwaltlichen Vorsicht ist es deshalb erforderlich, sich sehr eingehend mit dem zeit- und kostenmässigen Umfang des voraussichtlich noch anstehenden Beweisverfahrens zu beschäftigen.

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