Rechtsanwälte Attorneys At Law

BAUDACCI NIGG STENBERG

Wir sprechen Ihre Sprache - dank unserer langjährigen Erfahrung in der Versicherungswirtschaft und in Wirtschaftskanzleien im In- und Ausland.

Als Anwaltskanzlei im Herzen der Altstadt von Zürich sind wir Ihre Spezialisten für

  • Haftpflichtrecht
  • Versicherungsrecht
  • Transportrecht
  • Allgemeines Vertragsrecht
  • Prozessführung

Über uns

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf die Beratung und Prozessvertretung im Haftpflichtrecht, Versicherungs- und Rückversicherungsrecht, Versicherungsaufsichtsrecht sowie im Transportrecht.

Wir befassen uns schwergewichtig mit Fragen zu Handels- und Versicherungsverträgen und die Begleitung von Schadenfällen bis hin zur Gestaltung ganzer Schadenorganisationen oder die Übernahme von Schadenportfolios.

Wir verfügen über eine langjährige Berufserfahrung in der Versicherungswirtschaft und in Zürcher und ausländischen Wirtschaftsanwaltskanzleien.

Unser Team hat auch häufig an ausländischen Prozessen mitgewirkt und war als Parteivertreter oder Fachschiedsrichter in internationalen Schiedsverfahren in der Schweiz und im Ausland tätig, wie z.B. in Frankreich und den Bermudas.

Wir unterstützen unsere in- und ausländischen Klienten auch in weiteren Bereichen des Wirtschaftsrechts.

Fachgebiete

Haftpflichtrecht

Haftpflicht betrifft alle Lebensbereiche – unser erfahrenes Team unterstützt Sie insbesondere in folgenden Bereichen:

  • Berufshaftpflicht, insbes. Arzthaftung und Anwaltshaftung
  • Produktehaftpflicht
  • Betriebshaftpflicht
  • Organhaftpflicht (D&O)
  • Motor- und Eisenbahnhaftpflicht
  • Staatshaftung
Versicherungs- und Rückversicherungsrecht

Wir sind spezialisiert auf folgende Versicherungssparten:

  • Berufs- und Betriebshaftpflicht
  • Motor- und Privathaftpflicht
  • Financial Lines und Specialty Lines: insbes. Organhaftpflicht (D&O), Financial Institutions' Professional Indemnity (FIPI), Employment Practices Liability Insurance (EPLI), Warranties and Indemnities (W&I), Eventversicherung
  • Vermögensschadenversicherung (Vertrauensschadenversicherung, Cyberversicherung)
  • Sachversicherung

 

Beratung und Vertretung in folgenden Belangen:

Als Coverage- und Monitoring-Counsel:

  • Haftungs- und Deckungsbeurteilungen
  • Prüfung und Abwehr von unberechtigten Ansprüchen
  • Zweitmeinungen / Gutachtertätigkeit

Versicherungsverträge:

  • Prüfen und überarbeiten von Policen und allgemeinen Versicherungsbedingungen

Streitbeilegung:

  • Prozessführung vor allen Schweizer Gerichten
  • Parteivertretung in Schiedsverfahren
  • Schiedsrichterliche Tätigkeit

Unterstützung in der Schadenerledigung:

  • Gestaltung ganzer Schadenorganisationen
  • Übernahme von Schadenabteilungsfunktionen und von Schadenportfolios
Transport und Logistik

Unterstützung in allen Belangen der Transportversicherung.

Beurteilung von Vertragsketten mit nationalen und internationalen Konstellationen und daraus resultierende Haftungen von Frachtführern sowie Speditions- und Logistikunternehmungen.

Wir beraten Sie bei der Abwehr unberechtigter Ansprüche und führen für Sie Regresse durch.

 

Allgemeines Vertragsrecht

Durch eine professionelle Vertragsgestaltung Probleme vermeiden:

  • Aufsetzen, prüfen und überarbeiten von Verträgen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen
  • Führen von Vertragsverhandlungen
  • Durchsetzen vertraglicher Ansprüche
Schiedsgerichtsbarkeit und Prozessführung

Unsere Anwälte verfügen über mehrjährige Gerichtserfahrung oder waren als Fachrichter am Handelsgericht Zürich tätig und vertreten Ihre Interessen vor allen Schweizer Gerichten und Behörden.

Auch vertreten wir Sie in versicherungs- oder rückversicherungsrechtlichen Schiedsverfahren als Parteivertreter oder stellen uns als Schiedsrichter zur Verfügung.

Rechtsabteilungstätigkeiten für KMU

Erstellen und Prüfen von Handelsverträgen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Allgemeine Rechtsberatung

Kommunikation mit Behörden

Team

Dr. Hans Nigg

Konsulent

Erik Stenberg

Konsulent

André Graf

Konsulent

Emina Avdispahić

Substitutin

Cornelia Hasler-Odlum

Office Managerin

Anna-Laura Rohr

Assistentin

Aktuelles

Ein durch den überhitzten Katalysator eines abgestellten Lieferwagens verursachter Brand fällt nicht unter die Betriebsgefahr von Art. 58 SVG

Urteil 4A_314/2022 vom 24. Januar 2023

Sachverhalt

A. (Kläger und Beschwerdeführer), der einen Hof bewirtschaftet, liess durch C. (Fahrzeughalter) eine Auftragsarbeit ausführen, in deren Rahmen C. mit seinem Lieferwagen von einem bestimmten Ort zum Betrieb des Klägers fahren musste. Zum Umladen von Bauholz auf einen landwirtschaftlichen Transporter stellte er seinen Lieferwagen jeweils in der Tenne des Klägers ab. Der Lieferwagen wurde nach Umladen des Holzes jeweils in der Tenne stehen gelassen. Kurz darauf brach im Stallgebäude des Klägers ein Glimmbrand aus. Die Vorinstanz stellte fest, dass der erhitzte Katalysator des Lieferwagens zur Entzündung des in der Tenne vorhandenen brennbaren Materials geführt und den Brand verursacht hatte. Der Lieferwagen war bei der B. AG (Beklagte, Beschwerdegegnerin) obligatorisch haftpflichtversichert.

Darauf reichte A. Klage ein und beantragte, die B. AG sei zur Zahlung eines Schadenersatzes von CHF 30‘000.- zzgl. Zins unter Nachklagevorbehalt zu verpflichten. Mit Urteil vom 27. April 2021 wurde die Beklagte zur besagten Schadenersatzzahlung verpflichtet und es wurde Kenntnis vom Nachklagevorbehalt genommen. Das erstinstanzliche Gericht erwog, der Vollbrand des Stallgebäudes sei durch den Betrieb des Lieferwagens verursacht worden. Der Motor bzw. der Katalysator habe sich als maschinelle Einrichtung aufgrund der Fortbewegung stark erhitzt und sei nur deshalb in der Lage gewesen, aufgrund eines brennbaren Materials auf dem Tennboden einen Glimmbrand auszulösen.

Das Kantonsgericht hingegen verneinte eine Betriebsgefahr. Es erwog, der Brand sei weder auf die Fortbewegung des Fahrzeugs noch auf Gefahren zurückzuführen, die aus den hierzu verwendeten physikalischen Kräften entstanden seien. Zwar habe sich der Katalysator anlässlich der Fortbewegung des Lieferwagens erhitzt. Die zur Fortbewegung nicht erforderliche Hitze des Katalysators sei jedoch nicht eine dem Betrieb eigene Gefahr.

Brand als Verwirklichung der Betriebsgefahr?

Der Beschwerdeführer gelangte sodann an das Bundesgericht und rügte, die Vorinstanz habe Art. 58 Abs. 1 SVG falsch angewendet. Diese Bestimmung sieht eine Kausalhaftung des Fahrzeughalters vor, wenn durch den Betrieb eines Motorfahrzeugs ein Mensch getötet bzw. verletzt oder ein Sachschaden verursacht wird.

Das Bundesgericht erwog, die Betriebsgefahr sei nicht in einem verkehrstechnischen, sondern in einem maschinentechnischen Sinne zu verstehen (E. 3.3.). Die Kausalhaftung sei nur dann zu bejahen, wenn der Unfall in seiner Gesamtheit betrachtet mit der besonderen Gefahr, die durch den Gebrauch der maschinellen Einrichtungen des Motorfahrzeugs geschaffen wird, zusammenhänge (E. 3.3.). Es komme nicht darauf an, ob sich das Motorfahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalls in Bewegung befand oder stillstand und ob seine maschinellen Einrichtungen ordnungsgemäss funktionierten oder nicht. Entscheidend sei die vom Gesetz als gefährlich vorausgesetzte Eigenart des Motorfahrzeugs, das latente Schädigungspotenzial, das im Fahrzeug zu erblicken ist, wenn dieses sich mit selbständig entwickelten und umgesetzten Kräften fortbewege.

Das Gericht prüfte somit, ob der Brand als Verwirklichung der betriebseigenen Gefahr des Lieferwagens zu qualifizieren sei (E. 3.4.). Es erwog, die genaue Grenze zwischen dem Betrieb und dem Nichtbetrieb eines Motorfahrzeugs liesse sich nicht rein aufgrund technischer Kriterien und schon gar nicht abstrakt beantworten, sondern müsse jeweils wertend anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden (E. 3.4.1.). Richtschnur bilde dabei der Zweck bzw. die rechtspolitische Grundlage der Bestimmung.

In casu sei ein Lieferwagen, dessen Katalysator aufgrund der Fahrt erhitzt war, in einer Tenne abgestellt worden, wodurch gemäss vorinstanzlichen Feststellungen zunächst ein Glimmbrand und anschliessend ein Vollbrand entstand (E. 3.4.2.). Daher überzeuge die Argumentation der Vorinstanz, das Motorfahrzeug habe im vorliegenden Fall wie jeder erhitzte Gegenstand ohne motorischen Betriebsvorgang Wärme abgestrahlt. Hingegen sei den Ausführungen des Beschwerdegegners nicht zu entnehmen, inwiefern die Hitze des Katalysators im konkreten Fall als betriebseigene Gefahr hätte erkannt werden sollen (E. 3.4.2.). Der Katalysator sei zwar aufgrund der vorangehenden Fahrt erhitzt und für den Brand auch ursächlich gewesen, aber die Brandgefahr sei nicht dem Betrieb eines Motorfahrzeugs eigen gewesen (E. 3.4.3.). Vielmehr weise jeder erhitzte Gegenstand, der an einer leicht entflammbaren Stelle aufbewahrt werde, eine ähnliche Brandgefahr auf. Ansonsten würde bereits der alleinige Umstand, dass es sich beim brandverursachenden Gegenstand zufälligerweise um ein Motorfahrzeug handelt und nicht um einen unmotorisierten Gegenstand, eine Kausalhaftung auslösen. Eine solch weitgehende Kausalhaftung sei jedoch mit dem Zweck von Art. 58 Abs. 1 SVG nicht vereinbar. Die Beschwerde wurde abgewiesen.

Kommentar

Das Bundesgericht nahm eine teleologische Auslegung von Art. 58 Abs. 1 SVG vor und erinnerte daran, dass die Betriebsgefahr einen Bezug zur raschen, selbständigen Fortbewegung des beträchtlichen Eigengewichts eines Fahrzeugs mit Hilfe motorischer Kräfte aufweisen muss, die eine Gefährdung sowohl der übrigen Strassenbenützer wie auch seiner Insassen mit sich bringt (E. 3.4.5). Den Brand als eine (direkte) Folge der Betriebsgefahr des Lieferwagens anzuerkennen, würde zu einer umfangreichen Kausalhaftung führen und wäre vom Sinn und Zweck des Art. 58 Abs. 1 SVG nicht mehr erfasst.

Weiterlesen …

Covid-19-Massnahmen des Bundesrates stellen ein einziges versichertes Ereignis dar

Urteil 4A_303/2022 vom 17. Oktober 2022

Sachverhalt

Der Gastrobetrieb A. AG (Klägerin, Beschwerdeführerin) schloss mit der B. AG (Beklagte, Beschwerdegegnerin) eine «All Risks Unternehmensversicherung» für den Zeitraum zwischen August 2019 und Dezember 2023 ab. Zusätzlich wurde der Deckungsbaustein «Epidemie» gemäss Ziff. 18 der Police gewählt, der wie folgt lautet: «Als versicherte Ereignisse gelten Massnahmen, die (…) angeordnet werden, um die Verbreitung von übertragbaren Krankheiten zu verhindern.

- Unterbrechungsschäden und Lohnkosten ER 500'000»

Am 28. Februar 2020 erliess der Bundesrat die Verordnung über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19-Verordnung 1), setzte sie gleichentags in Kraft und befristete sie bis zum 15. März 2020. Sie enthielt im Wesentlichen das Verbot von öffentlichen und privaten Veranstaltungen mit mehr als 1’000 Personen sowie Einschränkungen für öffentliche und private Veranstaltungen mit weniger als 1’000 Personen.

Während die Covid-19-Verordnung 1 keine Betriebsschliessungen vorsah, enthielt die am 13. März 2020 beschlossene und gleichentags in Kraft gesetzte Covid-19-Verordnung 2 ein Verbot von öffentlichen und privaten Veranstaltungen mit mehr als 100 Personen sowie Einschränkungen für öffentliche und private Veranstaltungen mit weniger als 100 Personen. Unter anderem wurde auch vorgeschrieben, dass sich in Restaurations- und Barbetrieben nicht mehr als 50 Personen (einschliesslich des Personals) aufhalten durften. Diese Massnahmen sollten bis zum 30. April 2020 gelten, jedoch höchstens für sechs Monate ab Inkrafttreten.

Bereits drei Tage später wurde die Covid-19-Verordnung 2 geändert und die Massnahmen verschärft. Der Bundesrat ordnete mit Wirkung ab dem 17. März 2020 die Schliessung von für das Publikum öffentlich zugänglichen Einrichtungen an, insbesondere von Restaurations- und Barbetrieben, mit Geltungsdauer bis zum 19. April 2020. Am 8. April 2020 wurden die genannten Massnahmen bis zum 26. April 2020 verlängert.

Mit Ausnahme der Sonderregelung für die Aussenbereiche wurde am 16. April 2020 die Schliessung der Restaurants bis zum 10. Mai 2020 verlängert. Mit Änderung der Covid-19-Verordnung 2 vom 8. Mai 2020 waren ab dem 11. Mai 2020 Restaurations- und Barbetriebe unter einschränkenden Auflagen wieder öffentlich zugänglich.

Für den erlittenen Umsatzausfall zufolge der Covid-19-Massnahmen bezahlte die Beklagte der Klägerin im Frühling 2020 die vereinbarte Leistungsbegrenzungssumme von CHF 500'000.--.

Vorinstanzliche Beurteilung

Die Klägerin beantragte mit Klage vor dem Handelsgericht Zürich, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr CHF 1'511'790.-- für Unterbrechungsschäden infolge Epidemie zwischen dem 13. März 2020 und 10. Juni 2020 nebst Zins zu bezahlen. Sie machte geltend, dass mit jeder neuen behördlichen Anordnung ein neues versichertes Ereignis ausgelöst worden sei, sodass sie für den Zeitraum vom 13. März 2020 bis 10. Juni 2020 Versicherungsleistungen von insgesamt CHF 1'511'790.-- für Unterbrechungsschäden infolge Epidemie fordern könne. Die Beklagte hingegen stellte sich auf den Standpunkt, es handle sich um ein einziges versichertes Ereignis, weshalb sie ihrer Leistungspflicht mit der Bezahlung der vereinbarten Summe von CHF 500'000.-- bereits vollständig nachgekommen sei und forderte die Abweisung der Klage.

Das Gericht beschränkte das Verfahren antragsgemäss auf die Frage, ob und ggf. für wie viele versicherte Ereignisse die Beklagte der Klägerin über die erbrachten Leistungen hinaus Versicherungsleistungen zu erbringen habe. Mit Urteil vom 8. Juni 2022 wies es die Klage ab, da es zum Schluss kam, dass nur von einem einzigen Ereignis auszugehen sei. Der Bundesrat habe lediglich den Inhalt und die Modalitäten fortlaufend den aktuellen Entwicklungen der Covid-19-Pandemie angepasst. Für dieses eine Ereignis habe die Beklagte ihre Leistung unstrittig bereits erbracht.

Verfahren vor Bundesgericht: Anwendung der Unklarheitsregel

Vor Bundesgericht rügte die Beschwerdeführerin, die Vorinstanz habe in Verletzung von Art. 18 OR in der «Beschränkung der betrieblichen Tätigkeit» kein versichertes Ereignis im Sinne der anwendbaren Versicherungsbedingungen erkannt und dadurch die Unklarheitsregel «falsch angewendet».

Die strittige Umschreibung des «versicherten Ereignisses» sei in der Police (Ziff. 18) dieselbe wie in den AVB-Epidemieversicherung (Ziff. A1) (vgl. oben; E. 4.1.). In Ziff. 18 der Police seien bei einem versicherten Ereignis u.a. «Unterbrechungsschäden und Lohnkosten» zu entschädigen, gemäss AVB-Epidemieversicherung Ziff. 11 «Unterbrechungsschäden», insbesondere «infolge der Betriebsschliessung oder Quarantäne».

Während die Beschwerdeführerin vor der Vorinstanz den Hauptstandpunkt vertreten hatte, dass jeder Beschluss des Bundesrats ein eigenständiges Schadensereignis darstelle, akzeptierte sie in ihrer Beschwerde an das Bundesgericht, dass die Verlängerungen der Massnahmen (8. und 16. April 2020) keine neuen Ereignisse darstellten (E. 5.). Die von der Beschwerdegegnerin erbrachte Leistung von CHF 500'000.-- beziehe die Beschwerdeführerin auf das Ereignis vom 13. März 2020, das damit abgegolten sei. Strittig sei indes, ob die Verordnungen vom 28. Februar 2020 bzw. 8. Mai 2020, mit welchen der Betrieb der Beschwerdeführerin beschränkt worden sei, versicherte Ereignisse darstellten. Aus Sicht der Beschwerdegegnerin liege ein einziges und einheitliches Schadensereignis vor, nämlich das behördliche Massnahmenpaket als solches.

Die Vorinstanz erwog ausgehend vom Wortlaut der strittigen Klausel (AVB A1), das versicherte Ereignis bildeten «behördlich angeordnete Massnahmen» (E. 6.1.). Die Verlängerung einer Anordnung bilde keine eigenständige neue Anordnung. Das bestätige die Systematik der AVB, worin die Schadensdauer explizit der «Dauer der behördlichen Massnahme» gleichgesetzt werde (AVB A3, Ziff.11). Dass die Anordnung einschneidender behördlicher Massnahmen im Zweifelsfall eher kurz zu bemessen und dann nötigenfalls zu verlängern sei, folge aus dem Verhältnismässigkeitsprinzip und den einschlägigen Verordnungen selbst. Die Verlängerung einer (unveränderten) Massnahme stelle daher kein selbständiges versichertes Ereignis dar. Mit dieser Erwägung der Vorinstanz sei die Beschwerdeführerin einverstanden.

Versichertes Ereignis und versicherter Schaden sind auseinanderzuhalten

Nicht einverstanden sei die Beschwerdeführerin hingegen mit der weiteren Erwägung der Vorinstanz, dass eine Beschränkung oder teilweise Schliessung dem Begriff der «Schliessung» gemäss Versicherungsvertrag (AVB A3, Ziff. 11) gleichzusetzen sei (E. 6.2.). Sie erblickte darin einen Verstoss gegen die Auslegung nach Vertrauensprinzip. Die Beschwerdegegnerin hätte die «Betriebsschliessung» näher umschreiben müssen als «Schliessung des ganzen Betriebes» oder als «gänzliche Betriebsschliessung», so die Beschwerdeführerin. Da sie dies nicht getan habe, folge aus dem Vertrauensprinzip, dass auch eine teilweise Betriebsschliessung als «Betriebsschliessung» zu verstehen sei. Daraus wollte die Beschwerdeführerin das Vorliegen eines versicherten Ereignisses ableiten.

Das Bundesgericht erwog, der Beschwerdeführerin könne nicht gefolgt werden, da sie ihre Kritik auf der unzutreffenden und daher von vornherein nicht zielführenden Annahme aufbaue, das versicherte Ereignis sei mit dem versicherten Schaden gleichzusetzen (E. 6.2.). Beides sei jedoch auseinander zu halten und werde in den AVB auch in zwei verschiedenen Bestimmungen geregelt, so in den AVB A1 das versicherte Ereignis und in den AVB A3 die Schäden, welche bei Eintritt eines versicherten Ereignisses entgolten würden. Vorliegend sei das versicherte Ereignis das durch den Bundesrat angeordnete Massnahmenpaket zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie. Die Frage, ob eine Betriebseinschränkung oder teilweise Betriebsschliessung zu einem versicherten Schaden führen würde, obwohl in AVB A3 Ziff. 11 nur von «Betriebsschliessung» die Rede sei, würde sich nur dann stellen, wenn sich die behördlichen Massnahmen auf Teilschliessungen beschränkt hätten. Das sei hier aber nicht der Fall, weshalb die Kritik der Beschwerdeführerin an der Sache vorbeigehe.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, aus der Bezeichnung der «Betriebsschliessung» als Oberbegriff folge, dass die teilweise Betriebsschliessung oder die Betriebseinschränkung als Unterbegriff im Oberbegriff enthalten und also auch als versichertes Ereignis anzusehen sei, bezeichnete das Bundesgericht als nicht zielführend. Es betonte einmal mehr, dass der in den AVB A3 Ziff. 11 verwendete Begriff «Betriebsschliessung» die gedeckten Schäden und nicht das versicherte Ereignis umschreibe.

Streitig sei aber nicht der versicherte Schaden, sondern, was als versichertes Ereignis anzusehen sei: das ganze Massnahmenpaket oder die einzelnen behördlichen Anordnungen (E. 6.2.). Auf diese Frage sei das Verfahren auf Antrag der Beschwerdeführerin beschränkt worden. Es sei die gleiche Überlegung massgebend in Bezug auf den Inhalt der angeordneten Massnahmen wie für deren Verlängerungen: Der Bundesrat respektierte das Verhältnismässigkeitsprinzip und die dynamische Entwicklung der Pandemie, indem er zunächst mit der Covid-19-Verordnung 1 noch nicht sehr weitreichende Verbote anordnete, dann aber in Anbetracht der eingetretenen Aggravation einschneidendere Massnahmen treffen musste bis hin zu Betriebsschliessungen, und schliesslich aufgrund der entspannteren Situation am 8. Mai 2020 die Massnahmen wieder lockern, namentlich die Wiederöffnung der Restaurationsbetriebe unter Auflagen vorsehen konnte. Die Beschwerdeführerin verkenne dies, wenn sie auf der einen Seite damit einverstanden sei, die Verlängerungen der Betriebsschliessung vom 16. März 2020 demselben versicherten Ereignis zuzurechnen, aber die am 28. Februar 2020 und am 8. Mai 2020 angeordneten Beschränkungen als eigenständige, versicherte Ereignisse betrachte. Es bleibe ein einheitliches Massnahmenpaket, ob es nun um Änderungen der behördlichen Anordnungen betreffend Intensität oder Dauer gehe (E. 6.2.).

Die Vorinstanz habe daher zu Recht erkannt, dass von einem einzigen versicherten Ereignis auszugehen sei. Da die gerügte «falsche Anwendung der Unklarheitsregel» nicht vorliege, habe die Vorinstanz diese subsidiäre Regel zurecht nicht zur Anwendung gebracht (E. 6.3.).

Kommentar

Vorliegendes Urteil zeigt einmal mehr die erhebliche Bedeutung auf, die der präzisen Definition des versicherten Ereignisses zukommt. Die kleinste Interpretationsmöglichkeit kann bewirken, dass ein Sachverhalt ungewollt als mehrere versicherte Ereignisse ausgelegt werden kann und damit mehrere Versicherungssummen zur Verfügung stünden.

Das Bundesgericht legte in verständlicher Weise dar, weshalb die Argumentation der Beschwerdeführerin an der Sache vorbeiging. Einerseits korrigierte es die Annahme der Beschwerdeführerin, das versicherte Ereignis sei mit dem versicherten Schaden gleichzusetzen und beurteilte beides strikt getrennt (nach den jeweiligen Policenbestimmungen).

Andererseits berücksichtigte das Bundesgericht bei der Beantwortung der Frage, ob die angeordneten Massnahmen gesamthaft oder die einzelnen behördlichen Anordnungen als versichertes Ereignis anzusehen waren, das Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 5 Abs. 2 BV). Wie das Handelsgericht Zürich bereits zutreffend ausgeführt hatte, stünde es im Widerspruch zum Verhältnismässigkeitsprinzip, wenn ein Versicherungsunternehmen bei verhältnismässigem Verhalten der Behörden hinsichtlich der jeweils angeordneten Massnahmen mehrfach leisten müsste, bei (ex ante betrachtet) unverhältnismässigem Vorgehen der Behörden indessen nur einmal (E. 6.1.). Folgerichtig hat das Bundesgericht das Verhältnismässigkeitsprinzip nicht nur hinsichtlich der Dauer der jeweils angeordneten Massnahmen, sondern auch hinsichtlich deren Intensität angewendet.

Insgesamt sind die rechtlichen Erwägungen sowohl des Handelsgerichts Zürich als auch des Bundesgerichts im vorliegenden Fall begrüssenswert.

Weiterlesen …